Luftschutz in Bocholt 1933 - 1945

 

 

Wegweisende Wandinschrift zu einer umfassenden Werkluftschutzanlage in Bocholt.

Die westmünsterländische Stadt Bocholt wurde während des Zweiten Weltkrieges zu 85% zerstört. Zuvor hatte sie noch als nicht besonders "luftkriegsgefährdet" gegolten und war daher nach dem Grad der Luftgefährdung als Luftschutzort III. Ordnung eingestuft worden. Die Auswirkungen dieser Einstufung machte Bocholts Oberbürgermeister Franz Rottmann im Mai 1942 deutlich:

 

Ich habe mich wiederholt mit dem Herrn Regierungspräsidenten [in Münster] ins Benehmen gesetzt, um Mittel für die Errichtung von öffentlichen Luftschutzräumen zu erhalten. Bocholt ist Luftschutzort III. Ordnung. Daher sind alle meine Anträge abgelehnt worden. Auf einen noch vor kurzer Zeit gestellten Antrag auf Zuweisung von Mitteln und Bereitstellung von Materialien erhalte ich die Nachricht, dass Mittel nicht bereitgestellt werden können. Es wird in dem Bescheid ausgeführt, dass Bocholt nicht als besonders gefährdet angesehen werden kann. Bei der angespannten Finanzlage der Stadt Bocholt kann ich städtische Mittel nicht freimachen. Abgesehen hiervon mangelt es auch an den erforderlichen Arbeitskräften und Materialien. Ich muss mich darauf beschränken, zunächst behelfsmäßige Luftschutzräume für die dichtbesiedelten Stadtgebiete, insbesondere der Altstadt, zu schaffen, soweit dieses unter den obwaltenden Umständen möglich ist.

Die wissenschaftliche Untersuchung der Entwicklung des Luftschutzes in Bocholt soll Aufgabe dieses Projektes sein. Dabei erfolgt auch eine Bestandsaufnahme ehemals und heute noch existierender Luftschutzanlagen auf dem heutigen Stadtgebiet. So wurde beispielsweise nach Auswertung der Bauakte im August 2014 durch den Autor mit Genehmigung des Besitzers die Werkluftschutz-Anlage einer ehemaligen Bocholter Textilfabrik untersucht und dokumentiert. Das oben abgebildete Foto zeigt einen mit zusätzlichen 0,5m starken Backsteinsäulen versehenen LS-Raum des 1938/39 errichteten rd. 135 m² großen LS-Kellers. Diese mit zwei Gasschleusen, einer Befehlsstelle, einem Meldegänger-Raum mit Telefonzelle, einem Sanitätsraum sowie zwei LS-Räumen für die Belegschaft ausgestattete LS-Anlage hatte mit künstlicher Belüftung ein Fassungsvermögen von rd. 130 Personen und gilt als typisches Beispiel eines Werkluftschutz-Kellers. Seine lediglich 0,51m dicken Mauern sollten den Insassen lediglich Schutz vor Splittern und Giftgas bzw. dem Verschüttet-Werden bieten - einem Bombentreffer hätten solche Anlagen  nicht standhalten können.

Sollte das über einem LS-Keller liegende Gebäude getroffen worden sein, so konnten die Keller-Insassen verschüttet werden. Daher durften Luftschutzanlagen vorschriftsmäßig nicht nur über einen gemeinsamen Ein- und Ausgang verfügen. Im besten Falle sollten zwei möglichst weit voneinander entfernte Ein- und Ausgänge vorhanden sein, außerdem konnten Notausstiege installiert werden. Eine weitere Maßnahme, der Gefahr von Verschüttungen zu entgehen, zeigt nebenstehendes Foto einer Werkluftschutzanlage, die im April 2015 begangen wurde. Mauerdurchbrüche, die normalerweise aus einer schmalen Ziegelsteinwand bestanden, konnten im Notfall leicht eingeschlagen werden, um sich so einen Ausweg aus der verschütteten Anlage zu schaffen.

Diese Splitterschutzzelle, auch Einmannbunker genannt, auf dem Gelände eines ehem. Bocholter Textilbetriebes sollte einer Person Schutz vor herumfliegenden Splittern infolge von explodierenden Bomben oder Granaten bieten und war vor allem solchen Personen gedacht, die auch während eines Bombenangriffs keinen Luftschutzraum aufsuchen konnten, da sie, in verantwortungsvoller Position, ihren Arbeitsplatz nicht verlassen durften. Schmale Schießscharten-ähnliche Seeschlitze erlaubten dem Insassen das Beobachten der Umgebung. Diese Zelle könnte dem Textilbetrieb demnach möglicherweise als Brandwache o.ä. gedient haben. Vom Werkluftschutz eines Betriebes zur Brandwache eingeteilte Personen sollten so Löschtrupps im Falle von durch Bombenangriffe entstandenen Bränden zeitig alarmieren können.

Bombensichere Luftschutz-Bunker hat es nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse in Bocholt nicht gegeben. Neben Luftschutz-Rundbauten und Luftschutz-Kellern liegt die Zahl von sog. LS-Deckungsgräben - häufig in Form solcher Betonsegment-Röhren - allerdings um ein Vielfaches höher als bisher angenommen. Vor allem auf dem Gebiete des ehemaligen Amtes Liedern-Werth, welches die 1975 eingemeindeten, Bocholt umgebenen Gemeinden umfasste, sind noch viele solcher Bauwerke auf Privatgrundstücken erhalten geblieben. 

Zur wissenschaftlichen Untersuchung des Luftschutzes in Bocholt bedarf es der Mithilfe Dritter. Sollten Sie über Informationen zu Luftschutz-Anlagen in Bocholt verfügen oder gar Zeitzeuge sein, würde ich mich sehr über Ihre Mail mit Hilfe des Kontaktformulars freuen.